
Von digitalen Klicks zurück zum Goldrandpapier – ein Plädoyer für mehr Fantasie, Vorfreude und Herz.
Früher lag er still auf der Fensterbank, eingerollt und mit einem goldenen Band versehen. Oder er wurde feierlich ins Feuer geworfen, damit der Rauch ihn hinauf ins Himmelsreich trug. Der Wunschzettel war einst ein festes Ritual in der Vorweihnachtszeit – und mehr als nur ein Stück Papier: Er war ein Spiegel kindlicher Sehnsucht, eine Übung in Geduld und der Magie des Wünschens.
Auf dem Wunschzettel von ca. 1910, den wir abgebildet sehen, steht:
Liebes Christkindlein!
Sei so gut und bringe uns zu Weihnachten: Einen Rottelschlitten. Unsrer Giesela ein Puppenservies. Einen Radirgummi. Zwei rote Haarbänder.
Herzlichen Gruß Ingeborg und Irene
Heute dagegen? Wunschlisten wandern in Onlinekörbe. Mit ein paar Klicks ist der digitale Gabentisch gefüllt. Schnell, praktisch, effizient – aber auch ein wenig seelenlos.
Woher kommt der Wunschzettel eigentlich?
Die Tradition des Wunschzettelschreibens lässt sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. In katholischen Regionen schrieben Kinder ihre Wünsche an das Christkind, in protestantischen Gegenden später an den Weihnachtsmann. Bereits im Biedermeier wurden fein verzierte Briefe verfasst, oft mit Gedichten oder kleinen Zeichnungen geschmückt. Die Briefe wurden auf Fensterbänke gelegt, ans Fenster gehängt oder verbrannt – mit der festen Überzeugung, dass die Wünsche im Himmel ankommen.
In den USA entstand fast zeitgleich die Tradition der Briefe an Santa Claus, besonders populär ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zeitungen veröffentlichten Wunschbriefe, und die Post begann sogar, echte Briefe an den Nordpol weiterzuleiten – eine Tradition, die in vielen Ländern bis heute gepflegt wird.
Wunschzettel – mehr als nur eine Liste
Ein selbstgeschriebener Wunschzettel ist nicht bloß ein Einkaufszettel. Er ist:
ein Ausdruck der Persönlichkeit,
ein Moment des Innehaltens,
ein Anlass zum Gespräch in der Familie,
eine Einladung zum Träumen.
Wenn Kinder aufschreiben oder -malen, was sie sich wirklich wünschen, geschieht etwas Wertvolles:
Sie denken nach. Sie wägen ab. Sie setzen Prioritäten. Vielleicht ist es das neue Feuerwehrauto – aber vielleicht auch ein Ausflug mit Papa, ein Haustier oder „Zeit mit Oma“. Es geht nicht nur ums Haben – sondern ums Wünschen.
Zurück zur Fantasie – Tipps für moderne Wunschzettel
Viele Eltern fragen sich: Wie bringe ich mein Kind heute dazu, einen Wunschzettel zu schreiben? Die Antwort ist: Mit Raum, Zeit und ein bisschen Magie.

Tipp 1: Bastelzeit statt Bildschirmzeit Schere, Kleber, Buntstifte, Glitzer und Papier – gestalte mit deinem Kind einen echten Wunschzettel. Lasst euch Zeit. Vielleicht wird daraus ein kleines Kunstwerk.
Tipp 2: Nicht nur Spielzeug Ermutige dein Kind, auch „nicht-kaufbare“ Wünsche aufzuschreiben: ein Tag im Schnee, ein gemeinsamer Spieleabend, ein Überraschungsfrühstück.
Tipp 3: Der Wunschbrief als Ritual: Legt den Wunschzettel gemeinsam aufs Fensterbrett oder steckt ihn in einen Umschlag für das Christkind oder den Weihnachtsmann. Wer möchte, kann ihn sogar zur Post bringen – in vielen Ländern gibt es offizielle Weihnachtspostämter, die wirklich antworten!
Tipp 4: Eine Kopie für später: Hebt eine Kopie des Wunschzettels auf. Viele Eltern und auch die Kinder selbst sind später gerührt, wenn sie die alten Wunschzettel beim Aufräumen wiederfinden – ein Stück Kindheit in Papierform.
Kleine Mühe, große Wirkung
Die Rückkehr zum handgeschriebenen Wunschzettel ist kein nostalgischer Selbstzweck. Sie ist ein Geschenk – nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Eltern. In einer Welt voller Geschwindigkeit und Konsum bietet der Wunschzettel einen Moment der Ruhe, der Fantasie und der Verbindung.
Also: Lasst uns gemeinsam wieder Stifte statt Scanner benutzen. Wünsche brauchen Platz – und manchmal einfach nur ein Blatt Papier.
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